AZ: 2 BvE 8/11

… eine Entscheidung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichtes unter Vorsitz von Andreas Voßkuhle, um die Rechte des Parlaments erneut zu stärken.

In Zukunft darf es Geheimrunden und Sondergremien zur Euro-Rettung  nur geben, “wenn Notmaßnahmen, also der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität auf dem Sekundärmarkt, beraten und beschlossen werden muss“, so das BVG.

Das BVG strich von der Begründungsliste für ein Minigremium die angebliche besondere Eilbedürftigkeit und auch die Kreditgewährung zur Rekapitalisierung von Banken, damit müssen sich in Zukunft Haushaltausschuss bzw. Plenum wieder befassen.

Der bereits gewählte Neunerrat hätte die Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung beschnitten – und das bei äußerst weitreichenden Entscheidungen. 

Das Neuner-Gremium sollte, so hatte es der Bundestag mit überwältigender Mehrheit im Oktober letzten Jahres beschlossen, für den gesamten Bundestag in “Eilsituationen” entscheiden dürfen. Die Bundestagsentscheidung vom 26.10.2011 war somit ein Paradebeispiel für selbstbetriebene, freiwillige Machtbeschneidung unserer Volksvertreter, die nunmehr zumindest weitgehend als verfassungswidrig erklärt wurde.

Das Neuner-Mini-Gremium war aus den 41 Mitgliedern des Haushaltsausschusses gewählt worden und es sollte, so war es eigentlich vorgesehen, im Extremfall im Rahmen des Euro-Rettungsschirms (EFSF) auf bis zu ein Viertel des Bundeshaushaölts Zugriff haben.

Das Urteil bestimmt  auch, dass die Zusammensetzung des Neuner-Gremiums zukünftig geändert werden muss, da es nicht die Mehrheitsverhältnisse des Parlamentes bzw. der Fraktionen wiederspiegelt.

Wer sind eigentlich die “Experten”, die der Bundestag aus dem Haushaltausschuss für die “Neunertruppe” ausgewählt hatte?

  • Für die Fraktion der CDU/CSU sollten Norbert Barthle (studierte Germanistik, Sportwissenschaft und Philosophie, dann Gymnasiallehrer), Bartholomäus Kalb ( Landwirt und Industriekaufmann) und Michael Stübgen (Pfarrer), dem Gremium angehören.
  • Die SPD-Fraktion nominiert Lothar Binding (Starkstromelektriker und Mathematiker) und Carsten Schneider (Bankkaufmann).
  • Die FDP-Fraktion will Otto Fricke (Jurist) und Michael Link (Diplom-Übersetzer Französisch, Russisch, Europapolitiker) entsenden.
  • Die Fraktion Die Linke nominiert Dietmar Bartsch (Ökonom) und
  • Bündnis 90/Die Grünen Priska Hinz (Erzieherin).

Geballter Sachverstand?

Das Urteil ist auch in anderer Hinsicht nur ein schwacher Trost, denn die Europäische Zentralbank kauft ohne jede parlamentarische Kontrolle seit längerem Staatsanleihen von Schuldenstaaten auf.

Auch die Tatsache , dass sich nur zwei Abgeordnete, Peter Danckert und Swen Schulz, beide SPD, in einem Eilantrag gegen das sogenannte “Neuner-Gremium” zur Wehr setzten, gibt zu denken. Die beiden Abgeordneten hatten auch kritisiert, unter welchen Zeitdruck man sie vor der Abstimmung gesetzt hatte. “Eigentlich hätte nahezu jeder Abgeordnete handeln müssen“, so Danckert.

Mit dem BVG-Urteil konnte der Trend zur Selbstentmachtung des Parlaments zugunsten von regierungsnahen Gremien nur teilweise gestoppt werden.

Parlamentarier, die des Abstimmens müde geworden sind, Jäger, die man zur Jagd tragen muss, schlechte Zeiten für den Parlamentarismus sind das!

Da passt es ins Bild, dass Angela Merkels Kandidat für das Bundespräsidentenamt ausgrechnet der Präsdident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle gewesen war, der die Regierung nun wieder einmal in die Schranken wies und ihr Tun in Teilen als verfassungswidrig erklärte.

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