Archiv für den Monat März 2009

Sich Fallenlassen (Tagebuchausriss)

Montag, 30. März 2009

Ich schließe die Augen und lasse mich in den Schoß von Mutter Natur fallen und überreiche der Sonne und dem Wind meine Wunden, mein Zwicken und Zwacken der Seele und des Körpers, kippe den Schalter des ständig kreisenden Verstandes, des pausenlos räsonierenden Bewusstseins, des wandelnden Problems, auf „Aus“, ziehe meine stets wachen Wächter ab und beginne, in die Umgebung zu diffundieren: Bin jetzt nur noch kleine Teilchen, die der Wind durchlüftet, aufschüttelt, verwirbelt, leicht und schwerelos; die Frühjahrssonne erwärmt jedes einzelne von ihnen, solange, bis sie in der Luft flirren.

Die Hunde kennen das schon: Sie schließen sich an: genießen, betten sich geräuschlos auf einem Stein oder rutschen auf dem Rücken die Blumenwiese herunter und grunzen ganz leise dazu. Die Zecken und Ameisen verhalten sich ebenfalls respektvoll und halten etwas Abstand.

Die Frühjahrssonne ist besonders am späten Vormittag uneingeschränkt wunderbar, man kann sich ihr ohne nachzudenken völlig überantworten und blind hingeben. Mit wem könnte man so etwas wohl sonst noch tun? (weiterlesen…)

März: Frühlingspflichten!

Sonntag, 29. März 2009

Soeben nach Hause gekommen, erinnerte mich ein geschäftiges Treiben auf meiner Terrasse an meine Pflichten: Es werde Frühling!

Ein winziger Spatz, aprikosengroß, müht sich über einem Bambusrollo ein Nest zu bauen – ein aufregendes, dringliches Geschäft, und rührend, denn fast alle trockenen Blätter und Zweiglein fallen bei stürmischem Wind vom zu schmalen Bambusrohr wieder herab, was den Baueifer des Spatzen überhaupt nicht stören kann. Weiter geht es, Flügelschlag um Flügelschlag, über Stunden. Woher nimmt dieses Kerlchen, das kaum eine Hand füllt, diese Energie? Ein schmetterndes, triumphales Zwitschern kündet von seinem unablässigen, bedeutsamen Tun.

Ich blättere in meinen Annalen – und tatsächlich: der Frühling, das war erst gestern: (weiterlesen…)

Tafelsilberverscherbeln. Crossborderleasing. Und jetzt der Wald?

Montag, 23. März 2009

Wir sind ja inzwischen abgehärtet. Wir winken die Horrornachrichten schon geübt durch, eine nach der anderen, und halten die Ohren immer schön angelegt.

Der Finanzhaushalt der ehemalige Bundeshauptstadt Bonn z. B., sicherlich in der Vergangenheit eine gediegene, betuchte Gemeinde gutbürgerlicher Beamter und gut beamteter Bürger, ist dermaßen in den roten Zahlen, dass er demnächst aller Wahrscheinlichkeit nach unter Kuratel gestellt werden muss.

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat  Schulden von  insgesamt 120 Milliarden Euro.

NRW hat auch Wald, insgesamt 119.000 Hektar an grünen Lungen, Naherholungs- und Wandergebieten, Tummelplätzen von Walkern, Radlern und Spaziergängern, kostenlosen Abenteuerspielplätzen, Arbeitsplätzen in der Holzwirftschaft …  Erlebnisraum der Menschen und Lebensraum der Pflanzen und Tiere. (weiterlesen…)

Außer Verfassung

Freitag, 20. März 2009

Bundeszentralstelle für Internet-Clearing, guten Tag!
Äh, ja, guten Tag, ist da die Internetklierstelle?
Ja, wie können wir Ihnen weiterhelfen?
Ja, also, ich war da gerade in so einem Jetroom, ja, und da hab ich gesehen, wie jemand ein Massaker ankündigt, glaube ich.
So, bitte sagen Sie uns Näheres, wie hieß die Formulierung genau?
Also, die Person sagte, sie will demnächst mal ein paar Leute hochnehmen.
Aha, das ist ja sehr interessant, bitte sagen Sie uns, wo genau Sie den Eintrag gefunden haben und wie…

Alternativ:
Äh, ja, guten Tag, ist das diese, na Sie wissen schon, wo man sich hinwenden kann, wenn man jemanden komisch findet? (weiterlesen…)

Ja, Ja, Ja!

Mittwoch, 18. März 2009

Ja, Ja!

Ah ja, weiter!

Mach weiter!

Hach, das ist toll!

Oh ja, weiter so,

Oh mein Gott!

Das ist so unglaublich gut!

Und da sah ich es schließlich: Das Antlitz eines echten, unabhängigen Journalisten bei der Arbeit: (weiterlesen…)

Ich bin ein Wirtschaftsexperte in Aktion

Mittwoch, 18. März 2009

♪♪♪ Audiopiste zum Reinhören

Ich bin ein Wirtschaftsexperte in Aktion,
Ich hab ein dickes Harvard-Diplom,
Den schwarzen Anzug trag ich tadellos.
I’m talking English almost fehlerlos.
Und die Haargelgraduation
Ist das Geheimnis meiner Qualification.
Und mein Credo ist: Juchuhuhu!
Wer schon hat, kriegt noch dazu!

Ich bin ein Wirtschaftweiser in Aktion,
Ich sitz im Aufsichtsrat der Bankenunion.
Bin so erfolgreich, bin so sehr gefragt,
Von Zweifeln wurde ich noch nie geplagt.
Selbst bei Milliarden Euro Miesen
War ich noch nie, noch nie verzagt.
Denn ich weiß: Juchuhuhu!
Wer schon hat, kriegt noch dazu! (weiterlesen…)

Gegen den Strich: Die wahren Amokläufer

Dienstag, 17. März 2009

Wenn die Medienwalze wieder einmal rollt, greife ich immer gerne zur Bürste.

Eine gemeinsame Laufrichtung hat für mich etwas Bedrohliches, und ich stelle mir dabei bildlich eine Bisonherde vor, die über die Prärie der Meinungsvielfalt trommelt; in der Ferne lauert vielleicht ein Abgrund, den die erregten Herdentiere gar nicht mehr wahrnehmen, das Trommeln, Schnauben und Stampfen der Artgenossen ist einfach übermächtig und übertönt etwaige Warnsignale. Die Dampfwölkchen, die aus Nüstern und Ohren des schnaubenden Medientrosses qualmen, machen taub und blockieren die Rezeptoren des Riechkolbens, um den Gestank der eigentlichen Skandale wahrzunehmen.

Wenn ich spüre, dass etwas skandalisiert werden soll und jemand bei mir bestimmte Emotionen auslösen will, wie bei einem Pawlowschen Hund den Speichelfluss, dann blocke ich, so etwas geht mir gegen den Strich, und dann bürste ich eben gegen den Strich. Ich hätte kaum geglaubt, dass ich mal etwas über Waffen und Waffengesetze schreiben würde: Ich überraschte mich damit selbst.

Meine Kindheit war geprägt vom strikten Pazifismus meiner Eltern, der sich u .a. in einem umfassenden Waffenverbot bei uns Kindern praktisch äußerte. Der Grund für dieses Verbot wurde schauspielerisch untermalt und in Szene gesetzt und so von uns Kindern begriffen: Denn unsere Eltern hatten beide den Krieg miterlebt. Beide wussten was schießen und bombardieren war, und ich kann dies nur schreiben, weil meine Mutter sich an jenem Tag, an dem ihr Haus mit einem Bombenvolltreffer ausgelöscht wurde, im Keller des Nebenhauses befand, um mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern einer Nachbarin beizustehen, die ob der permanenten Luftangriffe drohte den Verstand zu verlieren. (weiterlesen…)

“Frau Koma kommt” – Der Lohn der bösen Tat

Montag, 16. März 2009

Die Schockwellen, die sich um die Tatorte Winnenden und Wendlingen schießscheibenförmig ausbreiten, werden noch lange Zeit nicht abebben.

Die Medienberichte sind, was die Details und Begleitumstände anbelangen, z. T. widersprüchlich und unscharf, werden teils wieder zurückgenommen, und vermutlich wird die Öffentlichkeit die ganze Wahrheit nie erfahren.

Trotz Chaos oder gerade deswegen, stehen jedoch einige Merkwürdigkeiten umso schärfer über den Rand, und Erinnerungen an ähnliche Massaker und Amokläufe werden im Gedächtnis hochgespült. Amokläufe an Schulen, Waffenbesitz – man wagt kaum nüchtern über diesen Irrsinn nachzudenken, trotzdem haben sie verschiedene gemeinsame Nenner und gewisse ähnliche Begleitumstände sowie vergleichbare Folgen.

Frau Koma kommt“: Hätten Sie’ s gewusst? Das war die Warndurchsage des Konrektors/Rektors/der Rektorin der Albertville-Realschule in Winnenden, um auf den Amokläufer aufmerksam zu machen. Eine „verschlüsselte“ Botschaft. Warum bloß verschlüsselt? (weiterlesen…)

Unsere Glühbirne – Nachruf und Grabesrede

Montag, 09. März 2009

Liebe Trauergemeinde!

Wir sind hier alle versammelt, um einer lieben Verscheidenden zu gedenken, die uns allen sehr ans Herz gewachsen war: Ja, wir verlieren unsre beste Freundin, Tante, Schwester, Nothelferin in dunklen Kellern, oftmals das Lichtlein am Ende des Tunnels in Finsternis und Verzweiflung. Wie oft stand dieses kleine warmherzige Birnchen uns als einziges bei! Wir alle kennen das Gefühl, liebe Trauernde, einmal ganz alleine gelassen zu sein: Nur ich und meine Glühbirne. (weiterlesen…)