Bundeszentralstelle für Internet-Clearing, guten Tag!
Äh, ja, guten Tag, ist da die Internetklierstelle?
Ja, wie können wir Ihnen weiterhelfen?
Ja, also, ich war da gerade in so einem Jetroom, ja, und da hab ich gesehen, wie jemand ein Massaker ankündigt, glaube ich.
So, bitte sagen Sie uns Näheres, wie hieß die Formulierung genau?
Also, die Person sagte, sie will demnächst mal ein paar Leute hochnehmen.
Aha, das ist ja sehr interessant, bitte sagen Sie uns, wo genau Sie den Eintrag gefunden haben und wie…
Alternativ:
Äh, ja, guten Tag, ist das diese, na Sie wissen schon, wo man sich hinwenden kann, wenn man jemanden komisch findet?
Ja, richtig, dann erzählen Sie mal!
Also, ich habe zwar zu Hause kein Internet, aber ich möchte trotzdem melden, dass da ein Nachbar von mir so komisch ist; ich glaube der plant ein Massaker. Er läuft immer in so schwarzen Klamotten durch die Gegend und ist auch in so einem Verein, glaube ich.
Haben Sie einen Namen und eine Anschrift?
Ja …
Alternativ:
Gutten Takk, ich möchte Meldung erstatten.
Ja bitte!
Es geht um Herrn Egon Müller (Name von der Redaktion geändert), Herbertsstraße 3, hier in Essen. Ich habe Grund anzunehmen, dass er es ist, der auf einem Blog verdächtige und beleidigenden Kommentare gegen Maßnahmen des Innenministeriums abgibt.
Danke das reicht, vielen Dank für Ihren Hinweis, wir sind schon unterwegs!
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Horst Jansen funkt „SOS“. Er ist nicht der einzige, der nach dem jüngsten Amoklauf der geschockten Öffentlichkeit seinen Forderungskatalog ins Gesicht hält. Für die Tiefenpenetration des Webs sei die Polizei schlecht gerüstet, und so fordert er die Einrichtung einer Internet-Clearing-Stelle.
„’Dort sollten Soziologen, Therapeuten, IT-Experten, Juristen und Polizisten rund um die Uhr (!) sitzen, um Fälle umgehend bewerten zu können’, sagt Jansen … Es gebe die 110 für die Polizei, die 112 für die Feuerwehr, aber keinen Kontakt für Alarmfälle im Netz.“ (General Anzeiger Bonn, 16.3.2009).
Jansen wünscht sich also allen Ernstes einen Internet-Notruf. Sicher, diese Maßnahme würde Zehntausende von Arbeitsplätzen schaffen. Man kann auf dem Arbeitsmarkt vielleicht wieder Hoffnung schöpfen!
Es entbehrt aber nicht ganz der Komik, sich vorzustellen, wie ein Heer ernster Experten „rund um die Uhr“ in Chatrooms hysterischer, kauderwelschender Teenies, jeden Ausruf auf seine Amoktauglichkeit überprüfen wird und jeden Kommentar eines Internetforums mit Hilfe von Therapeuten und Polizisten inspizieren und fachkundig mit bedenklicher Miene bewerten wird!
Aber vielleicht müssen wir diesen Irrwitz doch ernst nehmen: Denn er hat einen starken Pro-„Motor“:
Ich wollte mal wieder
Einkaufen gehn
Doch was muss ich denn da
schon wieder sehn?
Eine Überwachungskamera.
Der Schäuble will’s wissen,
der Schäuble ist gerissen,
Vorsicht steile Stufe.
Brems doch mal!
Ich wollte mal wieder
mit der Eisenbahn fahrn,
doch was schaut mich denn da
schon wieder an?
Eine Überwachungskamera.
Der Schäuble will’s wissen…
Ich wollte mal wieder
in die Schule gehen,
(Damit ich auch bis 3 zählen kann!)
Doch was muss ich denn da
Schon wieder sehn?
(Hoch Mann ey, das ist doch voll fett.)
Eine Überwachungskamera …
Der Schäuble will’s wissen …
Ich wollte mal wieder
In die Kirche gehen,
um nach meinem Heiland zu sehn,
doch was muss ich denn da
schon wieder sehn?
Eine Überwachungskamera
Dominus tecum, dominus, tecum.
Eine Überwachungskamera.
Der Schäuble will’s wisse …
Ich wollte mal wieder
Auf die Sparkasse gehen
(um zu schaun, ob meine Kohle noch da ist)
Doch was muss ich denn da
Schon wieder sehn?
Eine Überwachungskamera …
Der Schäuble will’s wissen…
Ich wollte mal wieder
zum Pipimachen gehen.
Doch was muss ich denn da
schon wieder sehn?
Eine Überwachungskamera.
Der Schäuble will’s wissen…
Ich wollte mal wieder
ins Schlafzimmer gehen,
doch was muss ich denn da schon wieder sehn:
Eine Überwachungskamera,
(Es handelt sich nur um eine reine Routinekontrolle, um zu sehen ob alle Vorschriften und Verordnungen auch eingehalten wurden.)
(Oh Gott, und das, wo ich eben oben ohne und unten ohne und gerade mit ohne wollte!)
Der Schäuble will’s wissen …
(Und fall mir da bloß nicht unter!)
Vor ein paar Tagen besuchte ich das Bonner Stadtmuseum hinter der Uni; und wie das Leben so spielt: Ich musste mal für kleine Mädchen. Aber oh Schreck, über der Tür der Damentoilette hing ein Schild mit dicken roten Lettern: DIESE TOILETTE WIRD VIDEO ÜBERWACHT.
Was nun? Natürlich Augen zu (damit mich keiner sieht) und dann Pinkeln.
Ich wusste nun: Die Überwachung ist mitten in der Gesellschaft angekommen.
Kurz darauf las ich dann einen Artikel, der mich wieder etwas versöhnte und mein gekränktes Schamgefühl etwas erleichterte: „Intime Geräusche werden gelöscht.“ Uffzzzz! (taz.de 14.3.2009)
Die TAZ sprach mit August Hanning, Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Im Einzelfall will Hannning sogar Betten und Klohäuschen überwachen, um Terroranschläge zu verhindern.
Frage: „Sollte es zum Schutz der Privatsphäre Bereiche geben, in die der Staat verlässlich nicht hineinschauen darf?
Antwort: „Natürlich nicht. Wenn man ein Vakuum lässt, ist klar, dass dies zur Verabredung von Verbrechen genutzt wird.“ (…)
„Also eine Wanze unters Bett klemmen?“
„Zum Beispiel.“
„Und wenn die Polizei Stöhngeräusche hört, schaltet sie das Tonband ab?“
„Sie glauben doch nicht, dass da die ganze Zeit ein Polizist sitzt und mithört, um rechtzeitig auf den Aus-Schalter zu drücken? In der Praxis läuft da meist ein Band mit, das man sich anschließend anhört. Und dann werden intime Geräusche sofort gelöscht und nur das polizeilich Relevante wird gespeichert.“
Danke Herr Hanning!
(Wer Lust hat, die obige Musikbaustelle mit mir zu bearbeiten [Gitarre, Schlagzeug u. ä.], sollte sich einfach bei mir melden.)
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Tags: Schäuble, Überwachung
Оформление зачет :) Сами дизайн делали или тема?
Ich find’s besorgniserregend wie wir lernresistent zu sein scheinen und nicht und nicht aus der Vergangenheit lernen wollen. Nach dem zweiten Weltkrieg ging man aus angst vor Massenarmut und deren folgen (erhöhtes verlangen nach autoritären Strukturen) zum Sozialstaat über. Dann zum Neoliberalismus, der wiederum wieder mehr Armut brachte (kann mir schon vorstellen das es für die reichen schöner ist mehr Auswahl zu haben, aber für die Majorität der Leute, die sich jetzt die nötigen Dienste mehr und mehr aus eigener Tasche zahlen müssen und sich das alles kaum noch leisten können?). Mit durch den Neoliberalismus entstandene und sich immer weiter ausbreitende Massenarmut sind – vorrauszusehendermassen – erhöhter Nationalismus und Autoritätsfiguren lately wieder in. Zusammen mit einem moralisierenden Staat, der uns immer mehr in unseren Menschenrechten unter dem Vorwand beschneidet das sie unserem eigenen Wohle dienen, um in Wirklichkeit Lobbies zu befriedigen für die solche Maßnahmen gewinnbringend sind (die natürlich als dank dem Staat ein bisserl mit Geld unter die arme greifen).
Marx hatte in allem recht, ausser das es bis jetzt nicht zu einer Solidarisierung der unteren Gesellschaftsschichten gekommen ist, sehr wohl ist das Gegenteil passiert.
Im moment können wir noch darüber schmunzeln, aber für unsere Kinder werden Internet-Stasi und Kamera auf dem Nachtkastl vielleicht wirklich schon Alltag sein.
Übrigens, Sie haben uns nie verraten ob sie das Orwellsche Klo nun besuchten oder nicht ;-]