Dresden 13.-15. Februar

Dresden am 15.2.1945; Quelle: Wikipedia Commons

Dresden am 15.2.1945; Quelle: Wikipedia Commons

Die Demonstrationen am gestrigen Tag in Dresden am 65. Jahrestag der völligen Zerstörung dieser Kunststadt an der Elbe mit einer Unzahl von Toten zeigen:

Deutschland ist krank: geistes- und gemütskrank.

Denn es gibt ganz offensichtlich nicht einmal mehr den kleinsten gemeinsamen Nenner: Trauer. Tote betrauern, Krieg betrauern, den Untergang einer Stadt betrauern.

In Deutschland ist es, wie man sah, nicht möglich, gemeinsam zivilisiert und in Würde den Jahrestag im Gedenken an den Untergang aber auch die Wiederauferstehung einer Stadt zu begehen. Ausnahmslos alle kochten an diesem Tag irgendein Süppchen.

Die Rechten wollten wie immer Präsenz zeigen, Fahnen schwingen, markige Sprüche klopfen und sich wichtig tun: „kein Vergeben – kein Vergessen“. Die Linken und Autonomen, wie immer das Recht für sich beanspruchend Nazismus zu verhindern, wollten dafür oder dagegen Mülltonnen in Brand zu setzen und Autos von Rechten umzustürzen. Die Antideutschen wollten Israelfahnen schwingend „Bomber Harris do it again“, nie wieder Deutschland“ und „keine Opfer, sondern Täter“ rufen und die Offiziellen wollten Gutmenschen sein. Dafür machten sie eine Menschenkette mit Friedensgebet und setzten ein „Zeichen“: „Für gleiche Rechte aller Menschen“, „Für Toleranz und gegen Rechts“ und „Gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus“.

Die Bürgermeisterin gedachte der etwa 25.000 Opfer, was wieder einige Tausend weniger als in den Vorjahren waren, und bezeichnete die Menschenkette als ein „Zeichen gegen Intoleranz und Dummheit“, und Ministerpräsident Tillich gedachte vor allem dem Krieg, der von deutschen Boden ausging, so als würde man dies nicht an den restlichen 364 Tagen des Jahres hören können.

Ein Gedenk- oder Trauertag. Ist dieser nicht dazu da, einfach nur zu trauern und derer zu gedenken, die auf grauenhafte Art und Weise ihre Leben verloren? In einer mit Kriegsflüchtlingen vollgestopften Stadt; viele Kinder hatten versucht, sich zu verkleiden, denn es war zur Zeit der Bombeangriffe (13.-15. Februar 1945) Karneval. Diese Kostüme sollten jedoch ihr Totenkleid werden.

Die „offizielle Stadt“ beging also den Trauertag damit, dass sie ein „Zeichen“ setzte, gegen Rechtsextremismus („Diese Bande gehört nicht hierher“) und dabei wie immer die anderen Banden vergaß, die ja wohl ebenso wenig hierher gehörten.

Man gedenkt nicht der Menschen, vor allem Frauen, Kindern, Kriegsflüchtlingen, Verwundeten und Greisen, die an jenem Tag zu Asche wurden, dadurch, dass man „Zeichen setzt“ wogegen auch immer oder Geschichtslektionen erteilt. Deren Zeit und Ort ist der Geschichtsunterricht und das Studium der Historie.

Ich misstraue denen, die eigene Opfer nicht betrauern können. Nicht ganz von ungefähr steht in der Bibel: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Liebe ich mich selbst nicht, kann ich das erst recht nicht anderen gegenüber. Diese Grundweisheit ist vollständig auf Trauern übertragbar: Kann ich meine Nächsten nicht betrauern, so wird das bei anderen, Fernen und Ferneren erste recht nicht möglich sei – außer als Worthülse.

Was sind „Trauer“, „Würdigung“, „Gedenken“ an den 364 Tagen im Jahr wert, wenn dieser eine Tag in Dresden nicht gelingt?

Am 13.Februar hätte für einen würdigen Verlauf des Dresden-Gedenkens ein einziger Satz ausgereicht: Der von Gerhard Hauptmann, als er von einem Sanatorium aus, das Inferno beobachtet: „Wer das Weinen verlernt hat, lernt es wieder beim Untergang Dresdens…
(… Ich stehe am Ausgangstor meines Lebens und beneide meine toten Geisteskameraden, denen dieses Erlebnis erspart geblieben ist.“

Dresden symbolisiert auch eine damals erstmals systematisch angewandte Form der Kriegsführung, die sich gegen die Vergangenheit eines Volkes richtet. Denn sind die kulturellen Zeugen der Vergangenheit amputiert und verschwunden, so kann Identität in der Gegenwart nur noch schwer noch gelingen, was sich unmittelbar in die Zukunft hineinträgt.

Dresden wäre somit auch ein Gedenk- und Mahntag, um dieser Form der Identitätsvernichtung zu gedenken, die leider aktueller denn je ist.

So hat die internationale Gemeinschaft es bisher noch nicht ansatzweise  gewagt, diese Form der Vernichtung im Irak einmal zu quantifizieren. Im Zweistromland des Euphrat und Tigris stand immerhin die Wiege unserer derzeitigen Menschheit. Der Irakkrieg hat daher auch Teile des Menschheitsgedächtnisses ausgelöscht. Panzer walzten antike Stätten platt, modernen Militär-Festungen bei archäologischen Ausgrabungsstätten, Verschmutzung durch Uranmunition auf Jahrmillionen…. Nie wieder? Wohl kaum!

P.S. Hier noch ein Link zur Presseerklärung der Dt. Polizeigewerkschaft, Landesverband Sachsen zum 65. Jahrestag der Bombardierung  Dresdens, die meine Einschätzung ergänzt.

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