Archiv für den Monat April 2010

Guttenberg kündigt mehr Tote in den nächsten Jahren an – nicht nur in Afghanistan!

Dienstag, 27. April 2010
Quelle: Bundeswehr/

Quelle: Bundeswehr/Bienert/Andrea Bienert

Gestern vermeldet die Presse, unser Verteidigungsminister habe auf der Trauerfeier für die vier zuletzt in Afghanistan gefallenen Soldaten im Ingolstädter Münster gesagt:

„Tod und Verwundung sind Begleiter unserer Einsätze geworden, und sie werden es auch in den nächsten Jahren sein, nicht nur in Afghanistan.“ Und: Die deutsche Gesellschaft, „die diesen Dienst bislang allenfalls freundlich-distanziert zur Kenntnis nimmt“, müsse umdenken. Guttenberg stimmte die Öffentlichkeit auf weitere Tote ein und forderte mehr moralische Unterstützung für die Soldaten. Ein weiterer Bericht trägt die Überschrift: „Guttenberg bittet  Soldatenfamilien um Verzeihung“ (vgl. GA Bonn, 26.4.2010)

An diesen Berichten ist  Mehreres merkwürdig: Guttenberg kündigt Tod und Verwundung gleich für die nächsten Jahre an und nicht nur in Afghanistan. (weiterlesen…)

Aufstachelung zu Angriffskrieg in Deutschland nicht strafbar (wenn der Angriff von einer anderen Armee als der deutschen verlangt wird)

Sonntag, 18. April 2010

Vor etwas mehr als zwei Monaten hatte ich an dieser Stelle zu einem besonders eklatanten Beispiel von Kriegshetze Stellung bezogen, die in Teilen der deutschen Medienlandschaft immer salonfähiger wird.

Es handelte sich dabei um einen Welt-Online-Artikel des in dieser Sparte besonders geübten Daniel Pipes, „Obama sollte den Iran bombardieren“, in welchem er dem US-Präsidenten ganz ungeniert Ratschläge für den Angriff auf den nahöstlichen Staat erteilt und dabei zur Eile antreibt.

Ich hatte mir erlaubt, den Deutschen Presserat auf diese Entgleisung aufmerksam zu machen – der Rat wird noch tagen.

Gleichzeitig hatte ich bei der nächstbesten Staatsanwaltschaft (bei Online-Veröffentlichungen gilt der „fliegende Gerichtsstand“) Strafanzeige wegen Aufstachelung zu einem Angriffskrieg gegen die WELT und ihren Autor erstattet. Ähnlich lautende Strafanzeigen wurde ebenfalls von verschiedenen Lesern, unabhängig voneinander, erhoben.

Meine Anzeige wurde an die Staatsanwaltschaft Berlin weitergeleitet, und von dort erhielt ich am 30.3.2010 Post von Staatsanwältin Kamuf. (weiterlesen…)

Blumendrachen

Sonntag, 18. April 2010

Ich öffnete die Schreibtischschublade und sah, dass sie eine große braune Schachtel enthielt. Die Schachtel aus braunem Karton wirkte selbstgemacht, und tatsächlich las ich: „Oben“ und „Zum Öffnen die gummierten Klebestreifen aufschneiden und Schlitze anheben.“ Und: „Vorsichtig öffnen!“

Ich folgte der Anordnung, bemerkte aber, dass jemand den Schlitz schon geöffnet haben musste. Und dann sah ich etwas Blaues, Rundes, Selbstgemachtes aus Seidenpapier. Erstaunt untersuchte ich das knisternde Inneliegende: Es hatte die Form eines großen, gestielten Blattes. Auf das blaue  Blatt, das mit Seidenpapier auf einen Peddigrohrrahmen aufgezogen war, war eine Blume, wohl eine Rose, mit andersfarbigem Seidenpapier aufgeklebt; sie hatte 2 rautenförmige Seidenblätter als Stengel und in der Mitte des Rosenstiels klebte ein runder Seidenpapierpunkt, der eine sehr, sehr feine Paketschnur darunter festhielt.

Das Ganze war vorsichtig mit kleinen, altmodischen Tesafilmstreifen auf einer weiteren stabilen Pappe befestigt. Auf dieser Pappe stand geschrieben:

„Rosie-Drachen“
„Flugbereit“
„Einfach nur den Schwanz anbinden“

Über dem Wort „Rosie“ war eine Rose gemalt, die ähnlich wie die Seidenblume, nur kleiner, aussah.

Neben dem Drachen lag ein Briefumschlag. Ich öffnete ihn. Der Brief fing mit einem ummalten großen „R“ an. Der erste Strich der Initiale war als langstielige Rose gemalt, grün und rot. „Meine liebe Rosie“ stand da in riesigen Lettern. „’Besser spät als nie’, heißt es, doch das hier ist, glaube ich, lächerlich: WEIHNACHTSGESCHENKE!“ Wieder rankten um die Großbuchstaben Rosen.

„Ich habe das Gefühl, dass Du, als Du das letzte Mal in der Schule warst, mich gefragt hast, ob ich einen Drachen hätte, und ich gab Dir einen ziemlich kaputten – aber ich kann das beim besten Willen nicht mehr mit Sicherheit sagen. Ich meine mich jedoch daran zu erinnern, dass Du die Idee hattest, einen mit Deinen Kindern steigen zu lassen, um ein bisschen Spaß zu haben.Nun, hier ist der Spaß-Drachen!“

Die Schrift wirkte sehr ordentlich, fast penibel, aber auch „ausgeschrieben“ wie von jemandem, der viel schreibt. Sie hatte aber kleine „Schleifspuren“ zwischen den Wörtern – sie könnte zu jemandem gehören, der etwas erschöpft oder resigniert oder gar etwas kraftlos ist, diesen Brief also irgendwie fast mit seinen letzten oder  vorletzten Kräften schreibt. (weiterlesen…)

Von Würmern und Störchen

Freitag, 16. April 2010

Ein Wurm, sagt man, hat im vergangenen Winter zugeschlagen und viele alte Palmen enthauptet: Da stehen sie, die meterhohen Stämme wie Säulen mit einem Rest Kapitell: Ein Jammer. Wie das Gewürm es geschafft haben soll und ob es wirklich stimmt, ist eine andere Frage, besonders, wie ein Wurm oder mehrer Würmer es anstellen, einen alten Palmenbaum derart zu unterminieren, dass ihm seine Lebenssäfte so abgegraben werden, dass aus seiner Krone nun keine grünen Palmwedel mehr treiben können…?

Die verdorrten Kronen sind jedoch dieses Jahr Schauplatz von etwas Unerhörtem, noch nie Dagewesenem – zumindest können sich die Alten an nichts dergleichen erinnern: Ein Storchenpaar hat einen dieser verwaisten Palmenhochsitze als Nistplatz auserkoren – und das an einem der heißesten Plätze Europas: An der verkehrsreichen Umgehungsstraße einer Kleinstadt im Hinterland der Costa del Sol.

Das Storchenpaar setzt damit ein ungeheuer mutiges, geradezu tollkühnes Zeichen, das dazu angetan ist, Kleinmut, Depressionen und andere Hilflosigkeiten auszutreiben, zumindest bei denjenigen, die sich von seiner An-Mut anstecken lassen können.

Das majestätische Nestbauunternehmen gerade an dieser Stelle bedeutet nämlich nichts Geringeres, als dass dieses tollkühne Paar, Herr und Frau Adepar, sicher sind, dass so viel Regen gefallen ist und noch fallen wird, dass all dieses Wasser, all die Herbizide und Pestizide, die sofort mit Einsetzen des Frühlings unbarmherzig auf alles niedergehen, was das grünt und blüht, soweit verdünnen kann, dass es genügend Frösche und Kröten geben wird, die das überleben, um sich dann anschließend als appetitliche Futterquelle für Adebar und den geplanten Nachwuchs zur Verfügung stellen zu können. Und dass der nahe liegende Fluss dieses Jahr nicht austrocknen wird, bevor noch irgendein Jungstorch geschlüpft ist. (weiterlesen…)

Sahnejoghurt – wie immer (Tagebuchausriss)

Dienstag, 06. April 2010

Ich habe alles vorgefunden, als wäre es gestern: Freude und Bedauern. Die Zeit muss ein Karussell gewesen sein mit einem Mittelpunkt, um den die Ereignisse glitten oder ritten oder war es vielleicht umgekehrt? Der Mittelpunkt kreiste um Dinge? Denn es gibt keinen erkennbaren Fortschritt, zumindest nicht linear. Scheinbarer Stillstand im Zentrum ängstigt mich, aber auch in der Peripherie.

Ich finde die rote Iris wieder, und es war gestern, ich finde ein neues, aufgegebenes Nest – leer, weil der Spalt zwischen Deckenbalken und Rollo zu schmal ist für irgend etwas Rundes, wie gehabt; die in einem offenen Betonkasten gefangen gehaltene Jagdhündin , die ca. viermal im Jahr zur Jagd herausgeholt wird, ist wie immer um diese Zeit mit Jungen niedergekommen – sie hat wieder aus ein paar Sägespänen versucht, ein Art Nest zu machen und ihre Jungen gesäugt, bis der Besitzer wie immer Ende der Woche zum Säubern des „Schweinestalles“ erschien und die Jungen gleich mit ausmistete. Seitdem hat die Hündin wie immer um diese Jahreszeit Fieber und Schüttelfrost, ein Gesäuge wie ein Felsbrocken und kriecht und windet sich vor Angst wie ein zertretener Wurm am Boden, den Schwanz soweit eingeklemmt, dass er unter der Brust herausragt.

Erneut stehe ich ratlos vor dem Verschlag und starre auf das dicke Vorhängeschloss. Selbst wenn es sich zertrümmern ließe, wäre es ein Einbruch. Und niemand braucht nervöse Jagdhunde, am wenigsten ich selbst.
Daher hole ich wie immer 10%igen griechischen Sahnejoghurt und schiebe ihn täglich unter dem Gitter durch. Vor Freude und Gier zerrt und beißt die Hündin in das Töpfchen, um es schneller hereinzuziehen, dabei verschüttet sie wie immer die Hälfte über ihren eigenen Kothaufen und in den feuchten, uringetränkten Sägespänen – aber es wird der Höhepunkt des Tages sein, auch ein leerer Joghurtbecher ist Ablenkung  und er kann wie immer nach allen Regeln der Kunst vollständig zernagt werden.

Mein Entsetzen gerät irgendwie zur Routine und die Routine ist nah an der Langweile. Angeödet frage ich mich, warum es immer noch Menschen gibt, die Hunde mit Schweinen, Schweine mit Hunden und beide mit geistlosen, zur Vernutzung und Verschleiß gedachten Gebrauchsgegenständen und sich selbst mit Menschen verwechseln.

Wie immer beehrt mich meine Katze Minze alle zwei Jahre um diese Jahreszeit – ein untrügliches Zeichen, dass die Ernährungslage hoffnungslos ist. Minze mit ihren grünblitzenden Augen genießt meine heimliche Bewunderung. Ein Ebenbild von Unabhängigkeit, Freiheitsliebe und Wildheit, manchmal Jahre unauffindbar, besonders, wenn ich mich mit Kastrationsgedanken trug, dann wieder aufgetaucht, als wäre alles gestern gewesen, schnurrend zu Zärtlichkeiten aufgelegt. Sie tut herum, ihren Schwanz  und ihr Hinterteilchen hoch aufgereckt, so als bedürfte es noch eines Hinweises darauf, was inzwischen mal wieder geschehen ist. Ich krame aus meinen Vorräten zwei Patébüchsen und ein Töpfchen griechischen Sahnejoghurt hervor. Minze frisst, schlingt und schleckt in rasendem Tempo und bleibt schließlich noch ein Weilchen benommen sitzen, um nicht zu bersten. Am nächsten Tag ist ihr Bauch um exakt den Umfang der zwei Dosen und des Töpfchens gewachsen.

Ich spähe nach oben und versuche im Dachgiebel das Einflugsloch der Bienen ausfindig zu machen, die mein Haus nun schon im dritten Jahr erfolgreich in einen Bienenstock verwandeln. Ich versuche mir auszumalen, wie es wohl da drinnen aussehen mag. Ich kann, mal wieder, nur mutmaßen. Irgendwie hatte ich erneut gehofft, die Bienen hätten den kalten, feuchten, wie-auch-immer Winter nicht überlebt – aber nein, da sind sie, wie immer geschäftig an der Arbeit. Es kann kein großer Stock sein, denn ich überhöre ihr „Aufstehen“ morgens um ca. 7:30 regelmäßig. Und abends wecke ich mit meiner Leselampe höchstens mal eine Biene, die aufgeschreckt durch die Decke gebrummt kommt und manisch das Licht umsummt, sodass ich unweigerlich meine Lektüre unterbrechen, wie immer zum bereit liegenden Lappen greifen und die nervtötende Summerin nach draußen befördern muss. Das hysterische Gebrumm und die Unterbrechung meiner wohligen Voreinschlafphase machen mich wütend. Doch immer wieder besänftigt mich der Gedanke an die vielen göttlichen Momente meines Lebens, die mir diese betriebsamen Wesen schenkten: mit schimmerndem, piemontesischen Akazienhonig, den ich mir zum Frühstück über ein par dicke Haferflocken, griechischen Joghurt und geschnittene Kiwis, Bananen, roten Pampelmusenstücken und Äpfel tropfen ließ, oder mit karamellartigem, zartgelben französischen Lavendelhonig, der, Ton in Ton, ein dick bestrichenes Butterbrot ziert oder der leicht harzige, dunkle Amazonashonig aus Brasilien, der irgendwie nach Orchideen, bunten Papageien und riesigen Urwaldpflanzen schmeckt.
Da ist es ja wohl das Mindeste, dass ich diesen Urheberinnen meines Honigglücks mein Haus als Refugium zur Verfügung stelle.

Dieses kleine Opfer muss es mir ja wohl – wie immer – wert sein.