Vor etwas mehr als zwei Monaten hatte ich an dieser Stelle zu einem besonders eklatanten Beispiel von Kriegshetze Stellung bezogen, die in Teilen der deutschen Medienlandschaft immer salonfähiger wird.
Es handelte sich dabei um einen Welt-Online-Artikel des in dieser Sparte besonders geübten Daniel Pipes, „Obama sollte den Iran bombardieren“, in welchem er dem US-Präsidenten ganz ungeniert Ratschläge für den Angriff auf den nahöstlichen Staat erteilt und dabei zur Eile antreibt.
Ich hatte mir erlaubt, den Deutschen Presserat auf diese Entgleisung aufmerksam zu machen – der Rat wird noch tagen.
Gleichzeitig hatte ich bei der nächstbesten Staatsanwaltschaft (bei Online-Veröffentlichungen gilt der „fliegende Gerichtsstand“) Strafanzeige wegen Aufstachelung zu einem Angriffskrieg gegen die WELT und ihren Autor erstattet. Ähnlich lautende Strafanzeigen wurde ebenfalls von verschiedenen Lesern, unabhängig voneinander, erhoben.
Meine Anzeige wurde an die Staatsanwaltschaft Berlin weitergeleitet, und von dort erhielt ich am 30.3.2010 Post von Staatsanwältin Kamuf.
Nicht, dass ich ernsthaft geglaubt hätte, mein Unternehmen werde von Erfolg gekrönt sein… Die Begründung für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist jedoch einigermaßen interessant: Sie besagt nämlich nichts anderes, als dass Kriegshetze und Aufrufe zu einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Sinne des deutschen StGB nicht unbedingt strafbar sind, sondern u. U. von dem Recht auf Meinungsäußerung gedeckt werden. Es muss jedoch bei der Kriegshetze und bei den Aufrufen zu einem Angriffskrieg darauf geachtet werden, dass der Angriff, die Bombardierung oder der Luftschlag usw. nicht von deutschen Soldaten oder gar von Frau Merkel verlangt oder eingefordert wird, sondern, dass dieser Angriff von einem anderen Staat und einer anderen Armee als der deutschen verlangt wird.
Originalton:
„Bei § 80 a StGB ist die Tathandlung das Aufstacheln zu einem (völkerrechtswidrigen) Angriffskrieg i. S. des § 80 StGB, d. h. bei dem Krieg muss es sich um einen solchen handeln, nach dem nach der Vorstellung des Täters die Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz ihrer Streitkräfte als Krieg führende Macht beteiligt sein soll. In dem Artikel ist einzig und allein die Rede von den USA-Streitkräften, bzw. von einem US-Schlag auf die iranischen Atom-Anlagen und, dass Barack Obama den Befehl geben sollte, die iranischen Atomwaffen zu zerstören. Der Tatbestand des § 80a StGB ist somit nicht erfüllt, da von der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland in keinerlei Weise die Rede ist.“
Nun, so wird der Aufruf zum Angriffskrieg wohl in Ordnung gewesen sein. Allerdings gibt es ja auch noch Bündnisverpflichtungen und die Garantie der Verteidigung Israels als Teil der deutschen Staatsräson, wie sie Frau Merkel erst kürzlich wieder beschwor, was die Lage dann wieder etwas verkomplizieren würde.
Auch den Tatbestand der Volksverhetzung sieht die Berliner Staatsanwältin nicht erfüllt:
„…da im Iran lebende Iraner nicht Teile der Bevölkerung i. S. des § 130 StGb sind. Dabei muss es sich um einen Teil der inländischen, d. h. tatsächlich in Deutschland lebenden Bevölkerung handeln. Durch ‚Beschimpfungen’ fremder Staaten sind weder deren in Deutschland lebende Staatsagehörige als Teil der hiesigen Bevölkerung angegriffen noch Teile der deutschen Bevölkerung, die sich dem anderen Staat etwa durch politische oder religiöse Überzeugung besonders verbunden fühlen.
Bei dem Artikel handelt es sich um eine bloße Meinungsäußerung im Rahmen der Meinungsfreiheit ohne strafrechtliche Relevanz.“
P. S. Es wäre interessant zu erfahren, welche Begründungen die anderen Strafanzeigen-Erstatter jeweils erhielten …
— Anzeigen —
Tags: Aufstachelung zu einem Angriffskrieg, Daniel Pipes, Obama sollte den Iran bombardieren, Welt-Online-Artikel
[...] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Net-News-Express und CONTRACOMA, Orden des Föhnix erwähnt. Orden des Föhnix sagte: Aufstachelung zu #Angriffskrieg in Deutschland nicht strafbar (wenn der Angriff von einer anderen Armee verlangt wird!) http://bit.ly/9yiLJM [...]
Ist ja Interessant. Dann kann man also beruhigt die Ausrottung anderer Staaten fordern, z.B. der Amerikaner, Israelis oder Inder.
Die Ablehnung mit der Begründung lege ich mir gut beiseite um sie gegebenenfalls zu zitieren.
Sie könnten mal nachschauen, ob das entsprechende Urteil von der Staatsanwältinpersönlich unterschrieben ist, es hätte ansonsten keine Rechtsgültigkeit und Sie könnten in einem offenen Brief (auch im Netz veröffentlicht) darauf hinweisen und entsprechende Unterschrift einfordern
mfg Markus Seppelt
@Markus
Die Anregung bezüglich einer Unterschrift ist sinnvoll; leider kenne ich inzwischen eine Staffel von Schreiben dieser Art, die nicht persönlich unterschrieben wurden.
Man nennt das dann “elektronisch erstellt”, in Anwaltskanzleien fungiert der Stempel, alles wird so gehandhabt, wie der Normalbürger nicht einmal eine Kundenkarte bekäme…
Leider Usus und natürlich ein Skandal an sich, der eigener publizistischer Betreuung wert wäre.
Ja, das Schreiben ist in der Tat nicht von Staatsanwältin Kamuf, sondern von einer Justizangestellten Schneider gezeichnet.
Auf habe auf meine Anzeige hin die im Wortlaut identische Begründung erhalten, zugleich wurde das Verfahren wegen folgendem Artikel nach strafrechtlichen Prüfung ebenfalls eingestellt: http://www.welt.de/politik/ausland/article5986847/Merkel-bereitet-Deutschland-auf-Iran-Konflikt-vor.html
Auf meine Ausführungen, wonach beide von Welt-Online veröffentlichten Artikel aufgrund ihrer zeitlichen Nähe im Zusammenhang gelesen werden müssen und damit sehr wohl eine deutsche Beteiligung erstrebt wird, ist die Staatsanwaltschaft nicht eingegangen.
Die Deutschen werden in Zukunft weitere Gefallene zu beklagen haben, und dies “wohl nicht nur in Afghanistan” (dt. Politiker bei Trauerfeier für Soldaten in Ingolstadt).
Es ist doch vollkommener Unsinn anzunehmen man koenne rechtlich nichts machen gegen Stuttgart-21, nur weil der Paul Kirchhoff das im Fernseher gesagt hat. Wo ein Wille ist ist auch ein Weg. Unter der ueberschrift “Gutachten gegen Gutachten” stand gestern in der Stuttgarter Zeitung ein sehr interessanter Artikel. Der Rechtsprofessor Georg Hermes sieht die Rechtslage demnach ganz anders als Herr Paul Kirchhoff. Zitat Georg Hermes: “Es sei klar, dass das Eisenbahnrecht beim Bund liege, das Land trage aber erhebliche Kosten, damit sei es mit zustaendig.” Professor Georg Hermes laesst auch nicht gelten, dass Vertraege ewig unkuendbar sein sollen. “Das verstoeßt gegen das Demokratieprinzip.” Neue Parlamente haetten dann keine Moeglichkeiten, aus langfristigen Vertraegen herauszukommen, argumentierte Hermes. Auch den Einwand, gegen den Haushalt sei keine Volksabstimmung moeglich, laesst Hermes nicht gelten. “Dann waere eine Abstimmung ueber jedes Gesetz, das Geld kostet, ausgeschlossen.
Ich möchte mal sehen, wie die Rechtslage ist, wenn ich den iranischen Präsidenten öffentlich aufrufen würde Israel zu bobardieren.
[...] § 80a. Problem nur: Wenn ausschließlich die Truppen anderer Staaten beteiligt sein sollen, greift der Paragraf nicht. Was bisher offenbar nicht endgültig untersucht ist – jedoch eher unwahrscheinlich: Dass [...]
jetzt ist syrien dran:
http://www.ftd.de/politik/international/:kolumne-andreas-theyssen-bombardiert-assad/70006930.html