Es ist nicht mehr zu übersehen (Der Spiegel Nr. 46, S. 126-139, “Das Kriegsspiel”): Das Heroische kommt wieder, das Kriegerische, Harte, Unerbittliche.
Nachdem man es in Deutschland jahrzehntelang sorgsam exorzierte, unerbittlich austrieb, ja sogar unter Strafe stellte, wird es jetzt wieder nachgefragt.
Die Deutschen hatten fast sechs Dekaden das “Nie wieder Krieg” zu ihrem obersten Gebot erhoben und sogar in ihrem Grundgesetz festgeschrieben, dass sie nur in einem Verteidigungsfall je wieder zu den Waffen greifen würden, doch unterdessen wurde eine neue Ära eingeläutet.
Das neue Zeitalter fing fast unmerklich und kriecherisch an. Es war von “Verantwortung” die Rede. Der Bruch wurde eingeleitet von einer rein äußerlich völlig unkriegerischen, ja unsoldatischen, meist unsportlichen, bisweilen sogar regelrecht schwabbeligen Gestalt. Diese konnte umso überzeugender von der Notwendigkeit des Krieges sprechen.
Außenminister Joseph Martin Fischer knackte damals den Widerstand der Grünen und der Deutschen insgesamt, in dem er mit Rücktritt drohte und gezielt die “Auschwitz-Brechstange” ansetzte:
„Wir haben immer gesagt: ‚Nie wieder Krieg!‘ Aber wir haben auch immer gesagt: ‚Nie wieder Auschwitz!‘”
Damit relativierte er völlig unzulässig den Schrecken des Holocaust, indem er die Situation in der damaligen serbischen Provinz Kosovo mit Geschehnissen der Vergangenheit gleichsetzte und zugleich dass Trauma der Deutschen ob dieser Schuld gezielt ausnutzte und sie damit für die politische Debatte paralysierte.
Der deutsche Bundestag stimmte dem Einsatz der Bundeswehr am 16. Oktober 1998 zu. Dieses Datum markiert den Wendepunkt, doch das erfasste man damals noch nicht in seiner ganzen Tragweite. Der zuständige Justizminister, Prof. Dr. Schmidt-Jortzig, heute völlig vergessen, stellte sich mutig gegen den neuen Trend. Er protestierte und bezeichnete die Kabinettvorlage als “völkerrechtswidrig”, gab das auch zu Protokoll und beteiligte sich nicht an der Abstimmung.
Man sprach damals von der „Instrumentalisierung deutscher Geschichte“ für einen Krieg mit deutscher Beteiligung. Es wurde der erste Krieg Deutschlands nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Die Bombardierung des Kosovo begann im Frühjahr 1999 …
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Jetzt sind wir aber offensichtlich schon einen Riesenschritt weiter: Wir konnten diese Beschwernisse der Vergangenheit, Joschka und der Rot-Grünen-Koalition sei Dank, hinter uns lassen – das Kriegerische und seine Ästhetik – sie dürfen uns wieder Freude bereiten.
Dank Dir mein Spiegel – darauf hatten wir doch alle insgeheim gewartet: Dass Du den verweichlichten deutschen “intellellen*” Lesern Deines Blattes die Köstlichkeiten des Kriegs wieder schmackhaft machst und ihnen einmal richtig einheizt.
Die Welt als “Warrior Field”, Gott sei Dank, brauchen wir jetzt nicht mehr an uns zu halten. Sechzig Jahre waren einfach genug!
Mein Spiegel: Ich habe Eure heroisch-ästhetischen Texte mit entsprechenden Bildern aus meinem historischen Archiv, das ich rein zu Studienzwecken besitze, unterlegt.
Dank Euch, ihr Mannen!
“67 junge Soldaten werden in den Kampf ziehen, Punkt 13 Uhr Ortszeit werden sie ausrücken, in Reih und Glied, wie sich das gehört …” (Spiegel)
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“Dear Lord … die Schlachten, die wir in unserem Leben schlagen müssen … heute werden wir nicht verlieren.” (Spiegel)
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“… Bataillonskommandant innerhalb der 81. Luftlandedivision, ein stolzer, herber Soldat.” (Spiegel)
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“Die Kadetten schießen mit Maschinengewehren, machen Gewaltmärsche, seilen sich von Brücken ab, robben im Schlamm, springen mit dem Fallschirm.” (Spiegel)
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“‘Die Jungs sind gut’, sagt er, ‘mutig, flexibel, sie vollstrecken. Lauter Sachen, die man braucht, wenn man im Krieg auf den Feind trifft.’” (Spiegel)
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“Die Soldaten sollen vor allem lernen, Schläge einzustecken. ‘Sie müssen ihre Angst spüren und besiegen.’”
“‘Die Gruppe kann nur gewinnen, wenn jeder einzelne bereit ist unerbittlich gegen sich selbst zu sein. Und das bin ich.’” (Spiegel)
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“…der König sagt ihen vor der Schlacht von Azincourt: Wer bereit ist, sein Blut mit ihm zu vergießen, der soll sein Bruder sein.” (Spiegel)
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“Mann kann sich nicht verstecken. Das weckt den Mann in dir.’” (Spiegel)
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Damit keiner vergisst, dass der Tod die Brüder scheiden kann. Damit jedem klar ist, was passieren kann, wenn aus sportlichem Thrill blutiger Ernst wird. Wenn die wahre Schlacht beginnt.” (Spiegel)
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“…und er kann sich gut vorstellen, nach Afghanistan zu gehen. ‘Ich fühle mich berufen.’” (Spiegel)
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Aus dem Blickwinkel der Damenwelt kann frau eine gewisse Genugtuung über den neue Trend nicht ganz verhehlen: Endlich werden uns nicht mehr alle herben Schönen von unserem Außenminister oder von irgendeinem Modemacher gestohlen. Jeder Einzelne ist ein unerträglicher Verlust für uns! Nun können wir uns endlich wieder darauf verlassen, dass beim Militär auch wieder das Heroische gepflegt wird!
Natürlich können wir als Frauen nicht so schnell von null auf hundert schalten: Dieser neue Typ Mann will erst einmal wieder verstanden und genossen sein! Zum softigen Einstieg empfehle ich daher allen Damen den Film “Die Nibelungen Teil 1+2″ mit Benno Führmann (seufz!) und Kristanna Løken (seufz!) Hier deutet sich das Heldische schon zart an. Das Kriegerische kommt aber zum Glück noch so sanft daher, dass Zeit für ein Liebesspiel im Feuerring bleibt.
Wenn wir diesen Film verstanden haben, können wir eine Stufe höher schalten: Ich empfehle der Damenwelt einfach einmal einige alte Wochenschauen anzusehen. So werden wir allmählich wieder auf den Geschmack kommen!
Eins sei dem Autor von “Das Kriegsspiel” aber noch gesagt: Einen Körperfettanteil von 22 %? Ja sind sie wahnsinnig, Herr Grossekathöfer? Das ist mit Verlaub eine ästhetische Zumutung. Wie soll man mit 22 % Fett denn wohl “durch Reifen springen, über Balken balancieren, ein Seil hochklettern und eine Wand überqueren”, flink wie ein Windhund sein und stahlhart werden können? Das erkären sie uns jetzt aber bitte Mal, Maik!
Ich sage: Da blättere ich doch lieber im Fotoalbum meines Großvaters: Alle höchstens 11 % Körperfettanteil und dezent feldgrau — herbe, stolze Männer!
Am Ende — tja, da waren es freilich höchstens noch 1% Körperfett…
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* Loriot lässt grüßen!
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Tags: Das Kriegsspiel, Der Spiegel, Joschka Fischer, Nie wieder Krieg
Kommentar zu: „Das Kriegsspiel“ in DER SPIEGEL, 2010, Nr. 46, S. 126-139,
Es ist entsetzlich. Der Artikel „Das Kriegsspiel“ dokumentiert auf erschreckende Weise den Missbrauch des Sports zum Töten. Als hätte es nie eine Aufarbeitung der Tragödien des „Militärsports“ gegeben, der immer nur die Selbstaufgabe über Drill und eine auf das körperliche reduzierte Fitness zum Ziel hat. Beispiele werden im Artikel genug genannt. Als größte Fehler sind die Trennung von Körper und Geist zu beklagen, die schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts überwunden schien und der offensichtliche Mangel an Menschenwürde. Typisch dafür ist u. v. a, die Schilderung eines Rugbyspiels gegen eine hoffnungslos unterlegenen Gegner, der schon nach zwei Minuten 0: 7 zurückliegt und auch nach 0:21 ohne Mitleid weiter gedemütigt wird. So wird ein Soldatentyp geprägt, der sich mit brüllender Musik aus dem Kopfhörer betäubt und die Order „running and gunning“ befolgt. „…die Jungs sind gut, sie sind Männer fürs Grobe, sie vollstrecken!“
Die Bundeswehr hatte dagegen schon früh die Lehren aus der Geschichte gezogen und mit der Sportvorschrift 3/10 auf eine pädagogisch orientierte Sportausbildung gesetzt. Zumindest an den Offizierschulen wurde die reine Lehre umgesetzt und in der Truppe wurden lange Jahre viele Erfolg versprechende Versuche gestartet. Es ist zu hoffen, dass sich eine Fehlentwicklung aus Amerika dieses mal nicht bei uns durchsetzt.
Klaus Zieglmeier
Blumenstr. 1
82256 Fürstenfeldbruck
Publikationen zum Thema u.a. :”Der Beitrag des Sports zu Soldier`s Performance & Fitness”
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