Archiv für den Monat Januar 2011

Dioxin? Da gackern wir uns einen.

Samstag, 29. Januar 2011

sabinchenIm jüngsten Skandal um Dioxinfunde in Eiern, Hühner- und Schweinefleisch fiel auf, das die Rücksichtnahme auf die EU mittlerweile dazu geeignet ist, ein schnelles Eingreifen auf nationaler Ebene z. B. mit einer Deklarations- und Versicherungspflicht bei den Futtermittelherstellern zu behindern. Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Aigner erschien als Ministerin “ohne Land”, ohne Zuständigkeit, als Ministerin der freiwillig ausgeübten Selbstbeschneidung ihrer vom deutschen Volk an sie übertragenen Befugnisse.

Der Hinweis auf die Notwendigkeit “europäischer Regelungen” gilt mittlerweile als Standardausrede für Denkfaulheit und Duckmäusertum vor der vermeintlich allmächtigen, all-kompetenten, jedoch nicht demokratisch gewählten EU-Kommission.

EurAktiv, das Portal für europäische Nachrichten, Hintergründe und Kommunikation, lobte in einem Artikel vom 14.1.2011 ausdrücklich, dass Aigner laufend brav nach Brüssel Bericht erstattet habe: “Aigner verwies darauf, dass ihr Ministerium seit dem Ausbruch des Dioxin-Skandals ‘laufend an die EU-Kommission berichtet’ habe. ‘Die Kommission hat uns bescheinigt, dass unser Handeln hervorragend war’, so Aigner.”

Wie peinlich ist das denn? Sind wir hier in der Schule? Dieser Trend dazu, vor der EU-Kommission zu kuschen und zu kreuzbuckeln, sich “Bescheinigungen” ausstellen zu lassen, riecht nach neuem Untertanengeist, den wir doch gerade erst überwunden glaubten. Die EU-Kommissare sind von den einzelnen EU-Regierungen eingesetzte, hochbezahlte Beamte, die sich in einem Dauerzustand der Amtsanmaßung gegenüber demokratisch gewählten Ministern befinden, den letztere auch noch befördern. (weiterlesen…)

Gorch Fock in schwerer See

Montag, 24. Januar 2011
Die Gorch Fock

Die Gorch Fock

Falls ich ein Mann wäre, hätte ich vielleicht auch seinerzeit versucht, auf so ein schönes Schiff zu gelangen – aus purer Abenteuerlust und weil ich das Meer liebe. Aber ich bin einer Frau: von 28 Tagen bin ich mindestens sieben relativ unpässlich, lasse zum Beispiel Gegenstände fallen, hab schon mal Kopfschmerzen und bin etwas schlechter Laune; außerdem bin ich nicht ganz schwindelfrei, aber das Wichtigste:

Ich lasse mich von Männern (oder Frauen) ungern anschnauzen (also “Befehle erteilen”); weiterhin lasse ich mich von Männern ungern nötigen oder zwingen – (genannt  “Befehle ausführen”); auch schlafe ich gerne aus und möchte nicht müde oder unfit einen Berg oder eine Takelage heraufgejagt werden; dies nennt sich auch “Ausbildung” bei der Bundeswehr bzw. der Marine, – wäre nicht gegangen.

Auch hätte ich mir nie zugetraut, mit an die sechzig knackigen Mannsbildern auf dem Höhepunkt ihrer Potenz monatelang auf einem Schulschiff mit noch einigen wenigen weiteren Geschlechtsgenossinnen auszuhalten, ohne auszuflippen.

Bei der Marine gingen schon immer Gerüchte darüber um, mit welchen Zusätzen das Essen auf den Schiffen versetzt werden müsste, um dem Triebstau beizukommen. Ein Marinesoldat erzählte mir mal vor Jahren grinsend etwas von Brom. Wenn jetzt von angeblichen sexuellen Angeboten auf dem Ausbildungsschiff Gorch Fock  die Rede ist, finde ich das im Grunde nur normal, merkwürdiger wäre nur noch ihr Ausbleiben gewesen. Das wäre dann der Beweis für Brom in den Brötchen gewesen.

Man lese einmal den Artikel “Erstmals setzt Marine Frauen in U-Booten ein” mit der anschließenden Diskussion durch …

Und den Artikel “Gorch Fock gilt als schwimmender Puff” (Express).

Auf der “Gorch Fock” sind innerhalb der letzten Jahre zwei Kadettinnen zu Tode gekommen. Die eine war im November letzten Jahres aus der Takelage in den Tod gestürzt, die andere vor drei Jahren über Bord gegangen und ertrunken. Diese traurigen Vorkommnisse sind merkürdigerweise in der Mediendiskussion kein Anlass, einmal grundsätzlich über die Rolle der Frauen beim Militär nachzudenken. Ob es nicht sein könnte, dass es eine Fehlentscheidung war, Frauen in allen Bereichen der Militärausbildung zuzulassen? (weiterlesen…)

Stuxnet, Siemens und der Cyber-Krieg gegen den Iran

Mittwoch, 19. Januar 2011

Seit einigen Tagen macht „Stuxnet“ erneut Schlagzeilen: Der Computerwurm hatte bereits im vergangenen Jahres für Rätselraten gesorgt. Zunächst wurde gemutmaßt, er sei ausschließlich gegen die Atomanlagen des Iran gerichtet, dann fürchtete man, das Problem könne viel größere Kreise ziehen.

Grund: Weltweit sind unzählige Industrieanlagen (z. B. atomare Wiederaufbereitungsanlagen, Kraftwerke allgemein, Automobilindustrie, industrielle Fertigungsanlagen) mit einem speziellen Kontrollsystem der Firma Siemens ausgestattet, das über das Windows-Betriebssystem läuft. Der üble Computer-“Lindwurm“ sei in der Lage, Steuerungs- und Produktionsprozesse zu manipulieren, gleichzeitig aber eine falsch-positive Rückmeldung zu liefern, dass alles in bester Ordnung sei, während in Wirklichkeit z. B. die Zentrifugen einer nuklearen Wiederaufbereitungsanlage gerade heiß liefen. Überdies könne Stuxnet unbemerkt Daten und Informationen stehlen.

Im November vergangenen Jahres waren bereits zehntausende Infektionen bekannt geworden. Über die Urheberschaft des Virus wurde nur gemunkelt. Bereits am 24.9.2010 hatte die Newsplattform news.discovery.com gemeldet: „Stuxnet wurde für das ‘Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA) Systems’ von Siemens, das weithin für das Management von Wasserversorgung, Ölbohrtürmen, Kraftwerken und anderen Industrieanlagen genutzt wird, maßgeschneidert. […] Sobald Stuxnet in ein Computersystem eingedrungen ist, sucht es nach irgendeinem der drei Siemens-SCADA-Reglern [Programmable Logic Controllers] (PLCs), die Funktionen wie die Kontrolle der Turbinengeschwindigkeit managen […] wenn es einen Treffer gab, übernahm Stuxnet automatisch die Kontrolle des PLC und versteckte alle Veränderungen vor den Arbeitern, die das System managen oder damit arbeiten.“

Seit September letzten Jahres machte immer wie der Hamburger Sicherheitsexperte Ralph Langner mit seiner Analyse des Wurmangriffs von sich reden. Zdnet.de meldete darüber am 22.9.2010: „Der Wurm, der den Computer mit der Siemens-Software WinCC Scada befällt, wurde im Juli entdeckt. Er kann dazu genutzt werden, Industrieanlagen fernzusteuern. Er dringt über vier Sicherheitslücken in Windows ein, von denen Microsoft bisher zwei geschlossen hat – eine in der Windows-Shell und eine im Druckerwarteschlangendienst.Bei seiner Analyse beruft sich Langner unter anderem auf einen Screenshot eines Rechners in der Buschehr-Anlage, der die Siemens-Anwendung ausführt. ‘Mit den Erkenntnissen, die wir jetzt haben, ist es offensichtlich und beweisbar, dass es sich bei Stuxnet um einen direkten Sabotageangriff mit sehr viel Insiderwissen handelt’, schreibt Langner auf der Website seines Unternehmens. Der Angriff basiere auf einer Kombination mehrerer Zero-Day-Lücken und gestohlenen Zertifikaten. ‘Das wurde von einem hoch qualifizierten Expertenteam zusammengestellt, das über spezielle Erfahrungen mit Kontrollsystemen verfügen muss. Das ist kein Hacker, der im Keller seines Elternhauses sitzt.’ Seiner Ansicht nach deuten die für einen solchen Angriff benötigten Ressourcen darauf hin, dass es sich bei dem Initiator um einen Nationalstaat handelt.

In jedem Fall eine erstaunliche Erkenntnis aufgrund eines Fotos von einem Buschehr-Bildschirm! Hier das von Langner gemachte Foto. (weiterlesen…)

Sarrazin-Lesung ungekürzt

Dienstag, 11. Januar 2011

Der andauernde Erfolg eines der (oder schon “des”) meistverkauften Sachbücher der letzten Jahrzehnte weckt  Neid und Missgunst, besonders bei Vertretern der schreibenden Zunft. Beim SPIEGEL wird die Entstehung des Buches als “Unfall” umgedeutet, und der Verlag und natürlich die 1,2 Mio. Leser im Nachhinein benörgelt und gerügt. In humorloser, korinthenköttelnder Manier besorgte das Jan Fleischhauer (Heft 51/2011, S. 40 ff.): “Zu erzählen ist die Geschichte eines Ungeheuers zwischen Buchdeckeln, das alle überwältig hat – den Autor, die Kritiker und erst recht den Verlag, der es freisetzte.”

Jan Fleischhauer. Sarrazin-Buch - verhängnisvoller Zufall; Quelle: wikimedia commons

Jan Fleischhauer. Sarrazin-Buch - "verhängnisvoller Zufall" (Bild-Quelle: Wikimedia Commons)

Fleischhauer zeichnet ein bejammernswertes Portrait des Chefs der DVA (Deutsche Verlagsanstalt), Thomas Rathnow, vom Erfolg des Buches “Deutschland schafft sich ab” völlig überrumpelt, ja gezeichnet. “Er will sich nicht öffentlich von dem Autor distanzieren, der ihm so viel Geld einbringen wird, dass er davon schlecht verkäufliche Bücher finanzieren kann. Aber er schafft es auch nicht, den Text richtig zu verteidigen.”

Dumm für den Spiegel, dass der DVA-Chef den Pudding macht und sich nicht an die Wand nageln lässt. Ist doch eigentlich auch nicht nötig nach den Verkaufszahlen. Fleischhauer beklagt Rathnows Interviewverweigerung und sein Sträuben, sich von dem eigenen  Bestsellerautor zu distanzieren. Wenn der Spiegel jemanden zur öffentlichen Selbstgeißelung und Selbstbezichtigung bittet, muss man als Verlagschef dem Begehren doch mannhaft Folge leisten, dachte sich Fleischhauer wohl. Wenn nicht, nun, so muss es sich bei dem Buch um “die Geschichte eines verhängnisvollen Zufalls” handeln. Jaja, doch doch, und jetzt beginnt die Spiegelgeschichte vor falschem Mitleid zu triefen: “Ein Griff, von dem andere Verleger ein Leben lang träumen und der ihm [Rathnow] nun den Schlaf raubt. Ein Lektor hatte Sarrazin in einer Talkshow gesehen und draufhin angeschrieben, ob man nicht  einmal reden wolle. Niemand habe ahnen könne, was daraus wird, sagt Rathnow erschöpft. Den Namen des Kollegen möchte er lieber nicht nennen, der Mann will sich nicht auch noch in der Presse wiederfinden.

Der Verlag habe sich eigentlich einen Text über den deutschen Sozialstaat gewünscht. “Von Ausländern sei am Anfang nie die Rede gewesen, sagt der Verleger” … Und so nahmen die Erschröcklichkeiten ihren verhängnisvollen Verlauf.

Der Interviewer, ein verkappter Chefankläger, dem Interviewten fehlt jedes Zeug zum Widerstandskämpfer, da kommt Mitleid auf, unversehens assoziiert man zwei Weicheier beim Eiertanz, das kann nicht gut gehen! (weiterlesen…)

Gang über den Görlitzer Friedhof

Donnerstag, 06. Januar 2011
Teilansicht Görlitzer Friedhof

Teilansicht Görlitzer Friedhof

Der Friedhof der Stadt ist eine eigene Stadt mit einer endlosen Friedhofsmauer aus Ruhestätten in allerlei Stilarten, mit neugotischen, klassizistischen oder Jugendstilelementen, zwei bis drei Kilometer lang mindestens, schätze ich, ihn zu umrunden dauert ungefähr eine Stunde, er umfasst ein repräsentatives Verwaltungsgebäude aus leuchtenden, rostroten und dunkellila Klinkern, eine verfallene zierliche Kapelle, mehrere Eingänge mit Torbögen; an seinen Rändern beginnt er auszufransen und sanft in Wald überzugehen, immerhin sieht man die Grabsteine und Steinmetzarbeiten noch gut, wenn sie sich auch bereits neigen und Namen nicht mehr zu erkennen sind.

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Schon als Kind mochte ich Friedhöfe, wegen der geheimnnis-vollen Stille, der hohen Bäume und den hin und wieder geflüsterten Erklärungen zu einzelnen Stätten und Grabplatten; ich glaube, hier bekam ich schon als Fünfjährige anhand besonders kurzer Lebensdaten ein Gespür für die Katastrophen der Geschichte: Geschichte als die große Zermalmerin, so wie es einem meiner Vorfahren widerfuhr, der als Kind in den Transmissionsriemen eines Walzenstuhls geriet. (weiterlesen…)