Dioxin? Da gackern wir uns einen.

sabinchenIm jüngsten Skandal um Dioxinfunde in Eiern, Hühner- und Schweinefleisch fiel auf, das die Rücksichtnahme auf die EU mittlerweile dazu geeignet ist, ein schnelles Eingreifen auf nationaler Ebene z. B. mit einer Deklarations- und Versicherungspflicht bei den Futtermittelherstellern zu behindern. Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Aigner erschien als Ministerin “ohne Land”, ohne Zuständigkeit, als Ministerin der freiwillig ausgeübten Selbstbeschneidung ihrer vom deutschen Volk an sie übertragenen Befugnisse.

Der Hinweis auf die Notwendigkeit “europäischer Regelungen” gilt mittlerweile als Standardausrede für Denkfaulheit und Duckmäusertum vor der vermeintlich allmächtigen, all-kompetenten, jedoch nicht demokratisch gewählten EU-Kommission.

EurAktiv, das Portal für europäische Nachrichten, Hintergründe und Kommunikation, lobte in einem Artikel vom 14.1.2011 ausdrücklich, dass Aigner laufend brav nach Brüssel Bericht erstattet habe: “Aigner verwies darauf, dass ihr Ministerium seit dem Ausbruch des Dioxin-Skandals ‘laufend an die EU-Kommission berichtet’ habe. ‘Die Kommission hat uns bescheinigt, dass unser Handeln hervorragend war’, so Aigner.”

Wie peinlich ist das denn? Sind wir hier in der Schule? Dieser Trend dazu, vor der EU-Kommission zu kuschen und zu kreuzbuckeln, sich “Bescheinigungen” ausstellen zu lassen, riecht nach neuem Untertanengeist, den wir doch gerade erst überwunden glaubten. Die EU-Kommissare sind von den einzelnen EU-Regierungen eingesetzte, hochbezahlte Beamte, die sich in einem Dauerzustand der Amtsanmaßung gegenüber demokratisch gewählten Ministern befinden, den letztere auch noch befördern.

EurAktiv weiter: “Die CDU-Europaabgeordneten Horst Schnellhardt und Peter Liese begrüßten den heute vorgestellten Aktionsplan. ‘Weitreichende Kontrollen und Transparenz in der Lebensmittelkette von der Forke bis zum Teller sind notwendig, um die Sicherheit der Verbraucher zu garantieren’, urteilte Schnellhardt.”

Weitreichende EU-Kontrollen von der Forke bis zum Teller? Von der “Wiege bis zur Bahre” bei Hühnern, Schweinen und Menschen? Nein, danke. Wie wäre es mit regelmäßig-unregelmäßigen unangemeldeten Kontrollen und Stichproben durch die zuständigen Ämter?

“Liese ergänzte, dass die Maßnahmen zum Schutz ‘vor verantwortungslosen Futterfettpanschern’ europaweit koordiniert und umgesetzt werden müssten. ‘Die Punkte dürfen nicht nur auf Deutschland beschränkt bleiben’, sagte Liese.”

Sollen wir jetzt in Deutschland allen Ernstes darauf warten, bis derartige Koordinationen auch noch im letzten der 27 EU-Staaten vollzogen wurden? Der Agrarmarkt in Deutschland stellt mindestens ein Drittel des europäischen Gesamtvolumens dar, da sollten Gesetze schnell umgesetzt werden können. Das wird jedoch in den Medien stets als “Alleingänge” madig gemacht.

Ganz vergessen wird auch die andere Möglichkeit, dass wir in Deutschland längst genügend Verordnungen und Bestimmungen haben, diese auch konsequent umzusetzen. Warum? Warum wurden chemische Analysen nicht engmaschiger gemacht? Waren die Landesbehörden finanziell oder personell nicht dazu in der Lage? Wenn nein, warum sonst?

Die Öffentlichkeit muss viel mehr sensibilisiert werden für das geschickte Agieren der EU-Kommission: Jeder Skandal wird konsequent dazu genutzt, noch mehr Kontrollen und Befugnisse an sich zu reißen.

“Aigner will sich zudem ‘mit aller Kraft’ für die Schaffung einer ‘transparenten und verbindlichen’ Positivliste für Einzelfuttermittel einsetzen. ‘Das muss europäisch geregelt werden. Ansonsten könnte ein Betrieb in einem Nachbarland Futtermittel verwenden, die nicht gelistet sind und seine Produkte dennoch nach Deutschland importieren’, erläuterte sie. [gemeint ist wohl exportieren].

Knapp 50 Prozent der in Deutschland konsumierten Eier kommen aus dem Ausland – davon ein sehr großer Teil in verarbeiteten Produkten, sagte Liese. Einseitige Auflagen würden daher die deutsche Landwirtschaft stark belasten und gleichzeitig den Verbraucherschutz nicht wirklich voranbringen. Eine freiwillige Selbstkontrolle der Branche lehnen sowohl Liese als auch Aigner als unzureichend ab.”

Tja, hier geht es natürlich um die gefürchteten “Wettbewerbsverzerrungen”. Auch hier könnte man schnell und unbürokratisch für Abhilfe sorgen: Mit einer Deklarationspflicht. Der Verbraucher könnte dann selbst entscheiden, ob er evtl. das Risiko, etwas Dioxin im Hühnerei oder in der Eierwaffel zu haben, eingehen will. Auf jeden Fall würde ihm dies nicht mehr, wie bisher, untergejubelt, sondern er könnte sich frei für ein solches Risiko entscheiden. Natürlich stellt sich dieses Problem in der Wirklichkeit so gar nicht, denn die Hersteller und Exporteuere von einschlägigen Produkten werden es sich zweimal überlegen, ob sie z. B. ihren Absatzmartkt Deutschland, Schweiz, Österreich verlieren möchten, wenn ihre Produkte nicht garantieren können, woher ihre Futterfette für die Hühner kamen. Keine Firma kann es sich leisten, durch das positive Ergebnis einer Stichprobe in die Dioxin-Schlagzeilen zu geraten. Es spielt da gar keine Rolle, ob sie sich in den Niederlanden oder in Deutschland befindet.

“Auch bei einem weiteren Aspekt sieht Aigner ‘dringenden Handlungsbedarf auf EU-Ebene’. So sollten alle Futtermittelhersteller über eine Betriebs- und Produkhaftpflichtversicherung oder andere Finanzgarantien verfügen, die bei Rechtsverstößen fällig wird. In Deutschland wird eine solche Versicherungspflicht eingeführt, ‘auf EU-Ebene werde ich eine solche Regelung einfordern’, erklärte Aigner.”

Na bitte, es geht doch! Aber auch das schönste Gesetz ist unwirksam, wenn die staatlichen Stellen finanziell oder personell zu ausgedünnt sind, um bei den Produzenten unangemeldet einen Höflichkeitsbesuch abzustatten …

Im Bonner Generalanzeiger erschien am 20.1.2011 ein sehr interessanter Leserbrief von einem Herrn Markus Radscheid, Rheinbach, dem ich hier ein größeres Leserpublikum verschaffen möchte:

“Der durch dioxinhaltiges Futtermittel hervorgerufene aktuelle Skandal um Hühnereier und Hühnerfleisch geht an uns total vorbei. Schon seit vielen Jahren halten wir ein für unseren Hausbedarf an Eiern ein ausreichend großes Hühnervölkchen mit stets drei bis vier Hennen und einem stolzen Hahn dabei. Wir bekommen jeden Tag frische Eier aus dem eigenen Garten und brauchen so gut wie nie welche zu kaufen. Selbst bei den arktischen Temperaturen im Dezember haben unsere Hühner “durchgelegt” und das harsche Wetter macht ihnen nichts aus. Bezüglich unseres Eierbedarfs sind wir autark.

In Zeiten des stärker werdenden Wunsches nach gesunden Lebensmitteln frage ich mich, warum nicht mehr Leute selber ein paar Hühner halten. Selbst in den Dörfern im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn sehe ich nur noch ganz selten Hühner fröhlich im Garten scharren. Dabei ist es doch so einfach und preiswert, ein paar Hennen für den eigenen Hausgebrauch zu halten. Die Tiere brauchen ein paar Quadratmeter Gehege, einen trockenen Stall und natürlich neben Körnerfutter und Wasser einen Platz zum Eierlegen. Für Freunde moderner Wohnkultur gibt es heutzutage sogar schicke mobile Hühnergehege, deren Häuser in poppigen Farben leuchten. Hühner sind im Übrigen die besten Spielkameraden für Kinder. Sind Wellensittiche, Goldhamster und Meerschweinchen doch empfindliche Tiere, können Hühner ‘einiges ab’. Hennen können daneben auch noch zahmer als ein Pudel werden und erfreuen immer wieder durch ihre Fröhlichkeit.

Ich empfehle, Leute haltet mehr Hühner im eigenen Garten, dann lässt euch der Dioxinskandal kalt.”

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6 Antworten zu “Dioxin? Da gackern wir uns einen.”

  1. Rudolf Fritz sagt:

    Nach Angaben von Udo Polmer
    http://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Pollmer

    gehört D zu den am höchsten mit Dioxin belasteten Gebieten in Europa.
    Diese enorme Belastung ist unter anderem eine Folge der brenneden Ortschaften am Ende des 2ten Weltkrieges.

    Nach Polmer weisen “freilaufend” erzeugte Produkte den größeren Schadstoffanteil auf.
    Was, siehe oben, nicht weiter verwundert.

    Wenn ihr glückliche Hühner wollt, müsst ihr Dioxin essen.
    Das ist hart.

    Was folgt daraus?
    Beendet alle Kriege! Füher oder später bekommt ihr die Folgen auf den Teller. Sogar, oder erst Recht, wenn ihr euch für teuer Geld ökologisch Ernährt.

  2. Friederike Beck sagt:

    Danke für diesen interessanten Hinweis; bei Bränden werden ja auch andere Schadstoffe frei, z. B. Quecksilber; vielleicht hat ja alles,was in D angebaut wird, immer einen höheren Schadstoffanteil?? Dennoch: Käfighaltung kann nur mit Chemie und Medikamenten durchgeführt werden. Dann vielleicht doch lieber Eier vom Bauer nebenan; die ethische Frage danach, wie wir eigentlich unsere Mitkreaturen behandeln, kann man aber doch wenigsten eindeutig beantworten…

  3. Wolfgang Mueller sagt:

    Guten Abend Frau Beck,

    ich möchte lediglich den Kommentar von Rudolf Fritz ergänzen, indem ich die YouTube-Links der “Pollmerschen” Kommentare liste:

    “Udo Pollmer über das Sevesogift Dioxin”
    Teil I
    http://www.youtube.com/watch?v=5KgLa488USM
    Teil II
    http://www.youtube.com/watch?v=umEk2YwXru4

    Pollmer gibt in Teil 1 ab ca. 8:30 min einen interessanten Hinweis im Zusammenhang mit den Belastungen bei der Freiland-Nutztierhaltung:

    “… und diese derzeitige Kampagne dient wohl offenbar langfristig dazu, – anders kann man sich das garnicht erklären, so irrational ist das – die biologische Produktion in Deutschland unmöglich zu machen …”

    Wenn da mal die Forderung nach “mehr Verbraucherschutz” seitens der Bio- und Naturschutzverbände nicht nach hinten losgeht!

    PS. Dies ist Pollmers aktueller Basisstation (ich kenne den Mann auch erst seit kurzem):
    [1] EU.L.E. e.V. (Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften)
    http://www.euleev.de

    -
    PS2.
    Ich freue mich, dass Sie wieder häufiger auf Ihrem Blog publizieren.

  4. Kieler Jung sagt:

    Ob die Regulierungsfanatiker nun in Berlin, Brüssel oder sonstwo sitzen, bleibt doch zweitrangig. Die Todesmittelindustrie panscht uns unser schönes buntes Essen nach Belieben zurecht und solange wir nicht wie die Fliegen sterben, interessiert es weder Politiker noch Verbraucher sonderlich. Was zählt ist die Shareholder-Value der Konzerne und mangelnde Qualität wird mit verlogener Werbung weggebügelt.

    Nach jedem Skandal steigt der Verbrauch von Bio-Lebensmitteln kurzfristig an um dann ebenso kurzfristig wieder abzuebben. Der Michel ist eben vergesslich. Wer “ehrliche” Nahrungsmittel will, wird beim Discounter eh nicht fündig. Dummerweise beschäftigen wir uns mit dem, was wir uns täglich in die Luke schaufeln, nicht auch nur annähernd angemessen. Würden wir es tun, würden wir erkennen, dass wir jeden Tag die Möglichkeit haben, den Versprechungen der Todesmittelindustrie zu erliegen oder eben aber auch nicht. Und wenn der Restmüll erst wie Blei in den Discounterregalen liegenbleibt, wird vermehrt ein Umdenken in naturnahe und artgerechte Ernährung stattfinden. Aber Geiz ist ja bekanntlich geil. Ich finde meine Gesundheit aber geiler.

  5. Armin sagt:

    ‘Hennen können daneben auch noch zahmer als ein Pudel werden und erfreuen immer wieder durch ihre Fröhlichkeit. Ich empfehle, Leute haltet mehr Hühner im eigenen Garten, dann lässt euch der Dioxinskandal kalt’
    Eine super Idee. Selbstversorgung ist sowieso das Non Plus Ultra in der heutigen Zeit.

    Ich möchte gerne noch etwas anmerken:
    Laut Statistik kochen mindestens 80% der Deutschen gar nie. Während Franzosen, Italiener und Spanier viel Geld in Esswaren stecken, können Nahrungsmittel in D nicht günstig genug sein. Klar, das ist in keinem Fall eine Entschuldigung für kriminelle Verarbeiter, Hersteller etc. aber mir persönlich gibt schon zu denken, dass wichtiger scheint, ob man mit dem neusten Stern rumfährt oder nicht, als was man in seinen Körper reinschmeisst. Mit Liebe Kochen und genüsslich essen sind doch einige der wenigen Sachen, welche noch ganz unpolitisch Spass machen. Und die liebe EU hat auch ihres dazu beigetragen, dass es in der Landwirtschaft nur noch um Maximalertrag, perverse Effizienz und um Supermegabauernhöfe geht. Die Achtung vor der Nahrung, die ja ein Wunder der Natur ist so wie dieser liebe, kleine Planet Erde auch, ist am veröden vor ellenlangen Regalen mit Fertigfood aus der Chemieküche. Der Hinweis auf 2. Weltkriegs-Dioxinlasten ist interessant. Es ist durchaus so, dass Kriege unsere Umwelt sehr, sehr langfristig zerstören.

  6. Martin W. sagt:

    Wer schon einmal durch das ständige Getöse eines Hahnes in der Nachbarschaft gestört wurde, wird dem Verfasser des Leserbriefs sicherlich nicht rundweg zustimmen. Auf dem Land mag es u. U. eine Alternative sein, aber in zerklüfteten Ortschaften sollte von freilaufender Tierhaltung Abstand genommen werden.

    Ansonsten macht der Artikel deutlich, was heutzutage unter EUdssR verstanden wird. Die Souveränität der einzelnen EU-Staaten wird durch eine überbordende Bürokratie und undemokratisch eingesetzte Kommissare ad absurdum geführt.

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