Archiv für die Kategorie ‘Pädagogisches’

Immer mehr Ganztagsschulen

Mittwoch, 27. März 2013

“Die Zahl der Ganztagsschulen steigt.
[Mhmhmhmhmh.]
Im kommenden Schuljahr kommt die Ganztagsbetreuung in 18 weiteren Schulen hinzu. [Rheinland-Pfalz].
[Mhmhmmhmhmhm.]
Wie das Bildungsministerium gestern in Mainz weiter mitteilte, nehmen damit 597 Schulen  am Ausbauprogramm teil. Die Landesregierung erweitert das Ganztagsangebot damit langsam aber kontinuierlich.
[Mhmhmhmh]
Außerdem gibt es 106 Schulen mit verpflichtendem Ganztagsunterricht und mehr als 3000 Schulen mit einem eingeschränkten Nachmittagsangebot.”
(GA Bonn, 26.3.2013).

Ich versuche mir vorzustellen, wenn im Grundschulalter oder später jemand versucht hätte, mich in eine Ganztagsschule zu stecken … Mein Grausen wäre gestern wie heute dasselbe. Damals hätte ich vermutlich noch wesentlich emotionaler reagiert, als ich es mir heute noch vorstellen kann.

“Verpflichtender Ganztagsunterricht”. Gibt es in diesem Land keine Ärzte, Hirnforscher oder – wenigstens Tierschützer mehr, die den Kindern irgendwie zur Seite stehen können? Ganztägige “Beschulung” verstößt gegen alles, was Kindheit ausmacht.

Ich muss im Paradies aufgewachsen sein: Schule, nach Hause, meiner Mutter schnell über Doofheiten und Bosheiten der Mitschüler und Lehrer erzählt, Mittagessen, schnell Hausaufgaben und dann: Raus! (weiterlesen…)

Warum ich wegen Dr. Goldstein meine beste Freundin verlor

Sonntag, 09. September 2012

Kürzlich starb “Dr. Sommer”, der Bravo-Chefaufklärer von 1969–1984, deren Kolumne er jetzt aus dem Jenseits führen muss.

Wenn in der Schule jemand mit dem Blatt erwischt wurde, schnappte es sich die Nonne und es flog in hohem Bogen in den Papierkorb, wo es dann hinterher wieder herausgeklaubt wurde.

Bravo war bei mir zwischen zehn und elf Jahren ein Thema, also in der vierten und fünften Schulklasse. Klar, man war aufgeklärt, sehr schematisch und damit wieder nicht aufgeklärt. Bravo gab’s zu Hause bei einer Freundin, und ich schmökerte eifrig, besonders Dr. Sommers Kolumne. Zwei Geschichten habe ich in Erinnerung: Ein Frage eines Mädchens, deren Bruder sexuell an ihr Interesse zeigte. Nur zu, beschwichtigte Dr. Sommer, probiert es aus, es kann auch schön sein usw. Irgendwie kam mir das komisch und schwül vor. Dann eine Bildergeschichte eines Pärchens, das von einem anderen an einen Baum gefesselt worden war. Dann verlässt mich mein Gedächtnis. Jedenfalls empfand ich das derart merkwürdig, dass ich mit meiner Mutter darüber zu reden begann. Das war das Ende von Dr. Sommer. Sie erklärte mir eindringlich, warum und weshalb so etwas nicht “normal” sei. (weiterlesen…)

Folter mit Elektroschocks als Erziehungsmaßnahme für Problemjugendliche in den USA

Mittwoch, 16. Mai 2012

Manchmal stolpert man im Netz über Dinge, die man zuerst gar nicht glauben kann: Im US-Bundesstaat Massachusetts gibt es ein Erziehungsheim mit angegliederter Schule, das Judge Rotenberg Educational Center, welches das Verhalten von Problemjugendlichen “korrigiert” – mit besonderen Mitteln. Zu den Eingewiesenen zählen u. a.  autistische, extrem aggressive oder autoaggressiven  Kindern und Jugendlichen oder auch solche mit ADHS-Problemen.

Anlässlich des Rückzuges des Gründers und Chefarztes mit 78 Jahren letztes Jahr im Mai, ließ die Klinik euphorisch verlauten: “Matthew Israel ist nicht nur eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Verhaltenstherapie, sondern er ist auch eine heroische Gestalt für Tausende von Familien, die durch diese Tür des JRC schritten als ihrem letzten Hoffnungsschimmer.”

Zunächst wird deutlich, dass es sich bei dem Judge Rotenberg Educational Center um eine Art “Endstation” handelt. Es geht um schwere Fälle, die auf Anordnung des Gerichtes dort “behandelt” werden. Dabei wird klar, dass alle Jugendichen bereits eine Vorgeschichte haben: Sie wurden mit Medikamenten  “behandelt”, und, dergestalt “austherapiert”, in diese Endstation überwiesen.

Der derzeitige Skandal konnten nur aufkommen, weil Videobeweise  aus dem Jahr 2002, die bisher von einem US-Gericht “versiegelt” worden waren, nun kürzlich freigegeben wurden. (weiterlesen…)

Unwort des Jahres 2011

Montag, 04. Juli 2011

Als Unwort des Jahres 2011 erscheint mir schon jetzt: “Stresstest”, bekannt im Zusammenhang mit dem “Stresstest für Banken” und dem “Stresstest für Atomkraftwerke”.

“Stress” ist ein Anglizismus, der sich besonders als Synonym für Anstrengung, Aufregung, Anspannung bzw. in seiner Adjektivform als “gestresst” im Sinne von genervt, beunruhigt, angespannt, eingebürgert hat.

Im Englischen hat das Bedeutungsfeld für Stress jedoch noch eine viel größere Ausdehnung, z. B. müsste man “Stress” ins Deutsche auch korrekt mit folgenden Begriffen übersetzen: Betonung, Gewicht, Belastung, Beanspruchung. (weiterlesen…)

Es geschieht am helllichten Tag!

Samstag, 21. November 2009

Es spielt sich unter unser aller Augen ab, am helllichten Tag, und jeden Tag aufs Neue. Mitten in Deutschland. Aber bekanntlich sehen wir ja dann die Dinge besonders schlecht, wenn sie uns besonders nah sind. Es geht um Kinder. Und es sind viele. Doch wir schauen immer noch weg:

Wenn die Kinder nach stundenlanger Arbeit nach Hause kommen, während der sie eingesperrt und in ihrer Bewegung gehindert waren, sind sie vor Erschöpfung meist nicht ansprechbar, ausgelaugt, wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden. Meistens müssen sie erst einmal mindestens eine halbe Stunde vor einem Computerspiel „abhängen”, bevor sich die Lebensgeister bei ihnen wieder melden. (weiterlesen…)

Adrianas Albtraum oder als Erasmus-Studentin in Gaziantep (Türkei)

Samstag, 11. Juli 2009
Ausschnitt aus "El Pais"v. 2.7.2009

Ausschnitt aus "El Pais"v. 2.7.2009

Erasmus-Stipendien sind bei jungen Leuten sehr beliebt: Man lernt Land und Leute kennen, und es bleibt in der Regel neben dem Studium genügend Zeit, auch das Kulturleben der jeweiligen Stadt zu genießen. Vielerorten sind Erasmus-Studenten zu einem Teil des Stadtbildes geworden. Es gibt Erasmus-Pogramme in allen europäischen Ländern – aber auch in der Türkei. Sie werden von der europäischen Komission. d.h. von europäischen Steuergeldern, gefördert und sollen der Integration, dem gegenseitigen Kennenlernen usw. dienen.

In der südtürkischen Universitätsstadt Gaziantep gibt es ebenfalls ein internationales Erasmus-Programm.
Die Region gehört zum kurdischem Siedlungsgebiet und liegt in der Nähe Syriens, des Irak und des Iran.

Adriana Espinosa ist eine 24 jährige Studentin der spanischen Universität Sevilla. Sie möchte Auslandsjournalistin werden und erhielt ein Erasmus-Stipendium für die Südtürkei. Am 15. September 2008 kommt sie in Gaziantep an. Sie ist bemüht, so erzählt sie, sich in der Stadt schnell zu integrieren und teilt sich eine Studentenwohnung mit zwei Türkinnen (kurdischer Abstammung wie sich herausstellt), mit denen sie über einen Professor bekannt gemacht wird. Man freundet sich an, und bei einer Gelegenheit begleitet sie ihre Kolleginnen zu einer Versammlung der legalen kurdischen Partei DTP.  Adriana gegenüber EL PAIS: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass es eine illegale Versammlung war. und die Polizei, die uns beobachtete, sagte uns nichts, daher bin ich völlig ruhig weggegangen, mit Material für eine Arbeit für die Universität.“

Ein paar Tage später macht Adriana mit anderen Studenten einen Ausflug ins nahe Syrien. In ihr Zimmer in Gaziantep zurückgekehrt, findet sie ihre Kleider auf dem Boden verstreut, die Schränke offen, ihr Laptop ist weg. Die türkische Polizei war in ihrer Abwesenheit der Wohnung  gewesen. Ihre beiden Wohnungsgenossinnen waren gleich zum Verhör mitgenommen und wegen Unterstützung der illegalen kurdischen PKK angeklagt worden, zuammen mit weiteren 17 Kurden. Adriana flüchtet sich voller Panik in die Wohnung einer spanischen Mitstudentin. (weiterlesen…)

Jugendpsychiatrie: Therapievoraussetzung Ritalin

Montag, 27. April 2009

Ritalin täglich

Ritalin täglich (Bildquelle: www.deesillustration.com)

Gerade sprach ich mit einer Freundin. Sie ist alleinerziehende Mutter zweier Söhne und wohnt in einer westdeutschen Großstadt. Sie ist von zarter, eher zerbrechlicher Gestalt und bisweilen schlagen ihr die Dinge über dem Kopf zusammen. Sie selbst ist momentan wegen gelegentlicher Angstattacken erst einmal für einige Monate berentet. Davor arbeitete sie manchmal in 1-Euro-Jobs; letzthin legte man ihr einen Ganztagsjob nahe, irgendeinen, was sie mit Hinweis auf ihren 15-jähringen jüngsten Sohn, der sie noch dringend brauche, ablehnte. Weitere Sanktionen der Ämter konnten durch ihre psychische Erkrankung vorläufig abgewehrt werden, aber das Problem mit dem jüngsten Sohn bleibt.

Ich gebe zu, dass ich Tommy (Name geändert) seit frühster Kindheit kenne und er seither eine “Stein bei mir im Brett” hat. Das mag an so irrationalen Dingen liegen, wie der Erklärung, die er mir im Alter von ca. fünf bis sechs Jahren abgab, als ich ihm sagte, “Tommy, ich mag dich.” Tommy meinte daraufhin: “Itsch ditsch auck” − er geriet noch etwas mit der offiziellen Aussprache in Kollision, bewegte sich aber durchaus damals schon in seinem eigenen logischen System. In dieser Zeit war es auch, dass Tommy immer in Windeseile auf Obstbäume kletterte und mir eifrig Früchte pflückte − ganz klar schon damals ein echter Gentle-Mann. (weiterlesen…)